Auch im Hause Habsburg wurde der Tod als Teil des Lebens verstanden, das Unvermeidliche zelebriert, aber auch instrumentalisiert, der Sensenmann in den Dienst der kaiserlich-politischen Sache gestellt. Welche Ausmaße der imperiale Machtanspruch über den Tod hinaus annehmen konnte offenbart sich im Doppelgrab Maria Theresias und Kaiser Franz Stephans in wohl besonders anschaulicher Weise. Noch heute repräsentiert der gewaltige Sarg mit der üppigen Ornamentik und der beeindruckenden Figurengruppe an der Oberseite das Highlight jedes Besuches in der Wiener Kapuzinergruft. Die nach elf Jahren Bauzeit im Jahre 1622 eröffnete Anlage beherbergt heute 147 Verstorbene und vier Herzurnen. Tatsächlich gestalten sich bei weitem nicht alle Särge so prunkvoll wie die letzte Ruhestätte Maria Theresias. Auch der Totenkult war zeitlichen Veränderungen unterworfen und entwickelte sich stetig weiter. 1
Schmückte sich der Trauerkondukt Kaiser Franz Josephs im Jahr 1916 beispielsweise mit einer beeindruckenden, imperialen Trauerkutsche, die heute noch in der Wagenburg bei Schloss Schönbrunn zu bewundern ist, so mühte sich im Jahre 1705 noch ein gutes Dutzend Edelknaben mit dem Transport der sterblichen Überreste Kaiser Leopolds I., die sich aufgrund der Strapazen gegeben falls abzuwechseln hatten. Auf posthumen photographischen Darstellungen des berühmten Kronprinzen Rudolf, dessen Leben 1889 bekanntlich in Selbstmord endete, ist dieser nicht nur mit einem Kopfverband zu sehen, sondern auch mit Blumenschmuck, welcher sich im Sarg befand. Der Brauch, Blumen direkt in den Sarg neben oder auf den Toten zu legen, ist überhaupt erst mit Rudolfs Begräbnis nachweisbar und war mit Ausnahme von Kinderbegräbnissen zuvor im Hause Habsburg nicht üblich. 2
Ebenso berühmt wie eigenwillig erscheint das Ritual der Dreiteilung des Verstorbenen, welches durchaus nicht bei allen Habsburgern vorgenommen wurde. Herz und Eingeweide zu entnehmen und in eigenen Grabstätten einzusegnen hatte unterschiedliche Gründe, die sowohl symbolischer als auch praktischer Natur waren. Half die Entfernung der Eingeweide vor allem in früheren Jahrhunderten tatsächlich, den Verwesungsprozess etwas zu verlangsamen, so bedeutete die grundsätzliche „Aufteilung“ des Verstorbenen auf drei Kirchen schlicht mehr Möglichkeiten für ihn zu beten. Dies erschien in der Vorstellung eines reinigenden Fegefeuers durchaus sinnvoll und wichtig. Sehr viel jünger und überhaupt erst mit dem Begräbnis Kaiserin Zitas im Jahr 1989 gesichert ist hingegen die „Anklopfzeremonie“. Da das Begräbnis der letzten Kaiserin von Österreich zum medialen Großereignis in Wien wurde und Filmdokumente nach wie vor verfügbar sind, erfreut sich dieser Brauch großer Bekanntheit. Das beeindruckende Ritual unterstreicht die eigene Sterblichkeit durch Marginalisierung aller Titel und Prädikate im Angesicht des Todes.3
Dass auch in kaiserlichen Häusern das Sterben in so manchem Fall ein schwieriges und qualvolles war belegen indes die letzten Monate des Herzogs von Reichstadt, des einzigen, legitimen Sohns Napoleons, welcher am Hof seines Großvaters, Kaiser Franz II./I. aufwuchs. Joseph Karl Franz wies bereits als Kind nicht nur einen gewissen Eigensinn, sowie große Durchsetzungskraft auf, sondern auch eine schwächliche Konstitution. Spätestens im Jänner 1823 machte sich die befürchtete Infektion mit Tuberkulose bemerkbar, innerhalb von sechs Monaten raffte die damals als unheilbar geltende Krankheit den Zwanzigjährigen dahin. Reichstadts persönlicher Adjutant, ein gewisser Von Moll, führte penibel Tagebuch über die Ereignisse und hinterließ so ein Bild des qualvollen Dahinsiechens seines Herren. Nach dem Tod des Herzogs am 22. Juli 1823 beschrieb Moll zudem die in großem Umfang betriebene Sitte, Haarlocken als Souvenirs vom Kopf des Verstorbenen abzuschneiden. Auch diverse Gegenstände aus dem Sterbezimmer wurden schlicht gestohlen. Ein Handel mit Haarlocken des Sohnes Napoleons ließ sich zudem viele Jahre nach dessen Tod immer noch nachgewiesen. 4
In manchen Fällen offenbart der Tod die Menschlichkeit der hohen Verstorbenen wohl auch in etwas kurioser Weise. Mit dem Fortschreiten der Wissenschaften entwickelten sich auch die Methoden der Balsamierung weiter, nicht jedoch ohne Fehlversuche und Unfälle ausschließen zu können. Während das Gerücht, man hätte Kaiser Franz Joseph durch eine neuartige Methode der Einbalsamierung mit Paraffin furchtbar entstellt, nicht verifizierbar ist, scheint ein Handschreiben des berühmten Leibkammerdieners Eugen Ketterl den Umstand zu belegen, dass dem wohl bekanntesten Kaiser von Österreich beim Abnehmen der Totenmaske eine Barthälfte unabsichtlich abgerissen wurde. Ketterl nahm diese Anmerkung nicht in sein heute noch verfügbares Buch auf, hinterließ uns jedoch eine Note an die entsprechende Stelle des Hofs. In diesem Zusammenhang darf auch die Bemerkung, einer der Eisbeutel, die unter dem aufgebahrten Kaiser Franz Joseph platziert waren, sei geplatzt, betrachtet werden. Laut Ketterl führte aber vor allem der entstellte Bart zu dem Entschluss, Kaiser Franz Joseph in geschlossenem Sarg aufzubahren.5