Durchforstet man die vielfältige biographische Landschaft rund um Kaiserin Elisabeth, bietet sich in Bezug auf ihre Geschwister ein meist recht einheitliches Bild. Da gab es Herzog Ludwig, den älteren Bruder der Kaiserin von Österreich, welcher durch seinen Hang zu Damen vom Theater in die Geschichte eingehen sollte, und durch seine Rolle als Vater jener berüchtigten Gräfin Larisch, die als maßgebliche Akteurin in der Mayerling Affäre inzwischen selbst ganze Bücher füllt.
Elisabeths nächst jüngere Brüder, Carl Theodor, schlug hingegen die für seinen Stand unübliche Karriere des Mediziners ein, und praktizierte als Augenarzt. Einen Namen machte sich auch Herzogin Marie, spätere Königin von Neapel, Heldin von Gaeta und Mutter eines unehelichen Kindes.
Besonders in den ersten Kapiteln jeder Elisabeth Biographie nimmt zudem Helene, die erste Schwester ihre Rolle als ewige Zweite, als von Kaiser Franz Joseph verschmähte Braut ein. Die Wahl des jugendlichen Kaisers im Jahre 1854 dient bekanntlich bis heute als Inspiration für Filme, Bücher, Serien uvm.
Besonders aber die jüngeren Geschwister verblassen in den meisten Darstellungen rasch. Mathilde und Maximilian finden noch Erwähnung, und dann ist da noch Sophie Charlotte, Elisabeths jüngste Schwester. Zu weit, so könnte man meinen, waren die letzten Kinder von Herzog Max in Bayern und Herzogin Ludivika von der berühmten "Schwester Kaiserin" bereits entfernt, um für die Biographen noch interessant sein zu können. Im Falle Herzogin Sophie Charlottes allerdings, nahm das Schicksal durch ihre Verlobung mit König Ludwig II. von Bayern einen anderen, höchst eigenwilligen Verlauf.
Tatsächlich teilten Ludwig und Sophie Charlotte einige Gemeinsamkeiten, die ein harmonisches Miteinander zunächst unterstrichen, wie ihre Vorliebe zur Musik, ihre Schwäche für Wagner und die allgemeine Kunstsinnigkeit. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen dürfte Ludwigs Entschluss, Sophie Charlotte am 22. 01. 1867 in die königliche Loge des Hoftheaters führen zu lassen, ein wenig überlegter, vielleicht von spontaner Eingebung geprägter gewesen sein, welcher bereits damals auf die anwesende Gesellschaft überraschend wirkte.
Zu einer Eheschließung kam es jedenfalls nicht.
Bald schon taten sich Zweifel bei Ludwig auf, und er legte ein zunehmend in Unsicherheit mündendes Verhalten an den Tag, welches sich als kompromittierend für die Braut erweisen sollte. Mehrmals wurde der Termin für die Hochzeit verschoben, schließlich löste der König von Bayern die Verlobung auf.
Damals gänzlich unbekannt blieb der Umstand, dass Sophie Charlotte noch zum Zeitpunkt der Verlobung in einer romantischen Beziehung zu einem Mann aus dem Bürgertum stand. Das Verhältnis zu Edgar Hanfstaengl ist durch fünf erhalten gebliebene Briefe glaubhaft dokumentiert, deren Inhalt aber auch die Aussichtslosigkeit dieser Romanze zum Ausdruck bringen.
Während Herzogin Sophie Charlotte diese emotionalen Untiefen der frühen Jahre offenbar zu meistern im Stande war, entwickelte sich die "Affäre Glaser" 1887 zu einer ausgewachsenen Krise. Seit Ende September 1868 mit dem Herzog von Alencon verheiratet, verliebte sich Sophie Charlotte in den sie behandelnden Arzt Franz Glaser, welcher ebenfalls gebunden und zudem Vater dreier Kinder war.
Im Juni 1887 schließlich überschlugen sich in Meran die Ereignisse. Man stellte Sophie Charlotte vor die Wahl: Ihrer Liebschaft endgültig abzuschwören und die Ehe mit dem Herzog von Alencon den Konventionen und gesellschaftlichen Regeln entsprechend wieder aufzunehmen, oder sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. Nach einem kurzen Gespräch mit Ihrem Ehemann, der sich zunächst im Hintergrund gehalten hatte, stieg die Herzogin in den bereits wartenden Sonderzug ein und trat die Reise in das Privatsanatorium Maria Grün in der Nähe von Graz an.
Die Krankenakte der Herzogin ist nicht erhalten geblieben, über die angewandten Therapien gibt es keine Aufzeichnungen. Aus diesen Tagen erhalten hat sich nur ein Brief Sophie Charlottes an ihre Tochter, in welchem von großer Müdigkeit und Ermattung die Rede ist. Selbstredend wurde der gesamte Schriftverkehr der Herzogin überwacht, Ausfahrten mit der Kutsche waren grundsätzlich untersagt. Um das Verhalten und die Gedankenwelt der prominenten Patientin möglichst lückenlos zu erfassen wurden Spione auch in die Reihen der Insassen eingeschleust. Mitnehmen durfte Sophie Charlotte ihr Dienstmädchen Paula, sowie ihren schwarzen Pudel mit Namen Ponto. Der Aufenthalt sollte sieben Monate betragen.
Die offizielle Diagnose im Falle der bayrischen Herzogin lautete auf "Moral insanity", also dem Unvermögen, moralisch richtiges Handeln im Sinne des damaligen Verständnisses zu gewährleisten. Aus heutiger Sicht wäre bei Herzogin Sophie Charlotte mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl keine psychische Störung diagnostizierbar, sondern ihr Verhalten vielmehr in dem Versuch begründet, ein selbstbestimmtes Leben auch im Sinne der Partnerschaft zu führen. Dies sollte ihr nicht gelingen.
Sie kehrte letztlich zu ihrer Familie zurück, entwickelte in späteren Jahren ein gesteigertes Maß an Religiosität und engagierte sich auch wohltätig.
Herzogin Sophie Charlotte starb am 4. Mai 1897 bei einer Brandkatastrophe in Paris im Zuge eines Wohltätigkeitsbasars.