Sarah Bernhardt- Das Doppelleben eines Weltstars

Sarah Bernhardt schläft in einem Sarg. Sie besitzt Riesenschlangen und Großkatzen, verwendet einen Totenschädel als Briefkasten und hat so viele Liebhaber, dass niemand sie mehr zählt. Mit großer Sorgfalt pflegte die berühmteste Schauspielerin des 19. Jahrhunderts ihre Exzentrik, nutzte die Presse als Werbetrommel und steigerte ihre Popularität stetig. Letzteres allerdings darf zu guten Teilen ihrer Schauspielkunst zugeschrieben werden, die als außergewöhnlich galt. Weniger erfolgreich verlief indes die Ehe mit dem Schauspieler Jacques Damala, dessen öffentliche Präsenz mehr von Drogenskandalen und Affären gezeichnet war, als künstlerischen Darbietungen. Als er an einer Überdosis mit nur 34 Jahren starb, war Sarah längst in den Olymp kreativen Schaffens aufgestiegen. Die Welt hatte sich eine Diva geschaffen und verstand es sie zu feiern. Höre/Lese hier die außergewöhnliche Geschichte der Ausnahmekünstlerin Sarah Bernhardt.
Sarah Bernhardt im Kostüm
Sarah Bernhardt auf der Bühne

In der letzten Phase ihres Lebens ließ Sarah Bernhardt sich in einem Rollstuhl auf die Bühne schieben, wahlweise kam auch das berühmte Holzbein zum Einsatz, welchem mittlerweile ganze Artikel gewidmet werden. Die Zeit der großen Theatralik, des emotional überschwänglichen Spiels neigte sich dem Ende zu, auch das Theater hatte im 19. Jahrhundert eine stetige Wandlung erfahren. 

Mit dem Ausspruch „niemand stirbt so schön wie sie“ in Anspielung aus Sarahs Paraderolle in der Kameliendame, wird das zeitlose Element in ihrer Form der Darstellung vielleicht am besten hervorgehoben. Stimmlich, so ließen zeitgenössische Kritiker verlautbaren, wäre Sarah Bernhardt nicht ganz so stark wie andere Schauspielerinnen, wobei sich diese Anmerkung tatsächlich auf die Kraft ihres Organs bezog, nicht auf Farbe, Betonung oder ggf. Aussprache. 

Bald schon verehrte ganz Frankreich diese Stimme, von der Victor Hugo behauptete, sie wäre wie aus Gold gewesen. Sarah Bernhardt spielte sich in den Olymp des Theaters, ließ all die Widrigkeiten des Lebens, an denen andere vielleicht innerlich zerbrochen wären hinter sich, und blieb letztlich konkurrenzlos. 1


Dabei schien Sarah die Schauspielerei zunächst nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden zu sein. Als uneheliche Tochter einer niederländischen Kurtisane und eines französischen Rechtsanwalts verlief das Leben der kindlichen Sarah Bernhardt durchaus unstet. Die häufige Abwesenheit der Mutter ließ das kleine Mädchen bei ihrer Tante ebenso aufwachsen wie in der Obhut von Kindermädchen, und einige Jahre später in einem Mädchenpensionat. Letztlich wurde sie in eine Klosterschule gesteckt, schien sich dort aber wohlzufühlen. Der Wunsch, eines Tages den Habit anzulegen und den Weg der Geistlichkeit zu beschreiten, erwachte in ihr, gleichzeitig galt das heranwachsende Kind als vorwitzig, geistreich, etwas eingebildet und klug. Sarah war fantasievoll, liebte Geschichten und inszenierte sich bereits in Kindertagen gerne theatralisch.2
 

Es war der Halbbruder Napoleons III., ein Gönner Sarahs Mutter, welcher das Talent des Kindes erkannte und eine vierjährige Ausbildung am Pariser Konservatorium möglich machte. Mit 18. Jahren debütierte die junge Schauspielerin an der Comedie Francaise in der Rolle der Iphigenie erfolgreich. Der große Durchbruch allerdings sollte noch etwas auf sich warten lassen. 


Nicht zuletzt der Konflikt mit einer deutlich älteren und damals bekannteren Kollegin verhindert ein stetiges Wachsen der eigenen Karriere, mehrmals wechselte Sarah in dieser Zeit das Theater. Als 1870/71 der deutsch-französische Krieg wütete, bedeuteten die politischen Umstände ein vorläufiges Ende ihrer Karriere. Kurzerhand eröffnete die patriotisch eingestellte Schauspielerin ein Lazarett im geschlossenen Odeon Theater, beteiligte sich auch persönlich an den Pflegediensten. 3


Früh erkannte sie das Potential der Presse, nutzte zunehmend die großen Medien ihrer Zeit um ihre Karriere zu fördern. Dabei sind es gerade die häufig gesetzten Übertreibungen und Halbwahrheiten in der Klatschpresse, denen die Künstlerin etwas abgewinnen konnte. Sie verstand es, Gerüchte unterschiedlichster Art weder zu dementieren noch reumütig zuzugeben. Vielmehr ließ Sarah Bernhardt die Gerüchte in den Zeitungsblättern kursieren und setzte das eine oder andere davon wohl auch selbst genüsslich in die Welt. Ihre Riesenschlange habe ein Sofakissen verschluckt, hieß es da. Ihr Krokodil würde im Champagner- Delirium liegen, schrieb man dort. Von Sarahs Schlafsarg, den sie zumindest eine gewisse Zeit tatsächlich genutzt haben dürfte, und in der sie auch ihre Rollen einstudierte, existieren heute noch Bilder. Die Neuigkeit, Sarah Bernhardt schlafe in einem üppig ausgestatteten, überaus teuren Sarg, ließ sich an Exzentrik kaum überbieten. 4


Sarahs durchschlagender Erfolg beruhte zu guten Teilen auch auf ihren überaus langen Tourneen, die sie nicht nur quer durch Europa machte, sondern auch in die neue Welt führten. Obwohl die Bernhardt sich weigerte ihre Rollen auf englisch vorzutragen und das US-amerikanische Publikum kaum Französisch sprach, gelang es ihr auch in Amerika die Häuser zu füllen. 


Eine völlig neue Form von Schlagzeilen ließ sich durch die Ehe der Bernhardt mit dem griechischen Militärattaché Jaques Damala generieren, welche im Jahr 1882 geschlossen wurde. Damala, der die große Liebe zur Schauspielkunst mit seiner Frau teilte, nicht aber das Talent, hatte den Ruf eines gnadenlosen Schürzenjägers, der die Reputation so mancher Gespielin  ernsthaft gefährdete, gar zerstörte. Zu seinen Affären gehörten gelangweilte Ehefrauen aus den Kreisen der pariser Hochfinanz ebenso wie Gattinnen einflussreicher Politiker. Dem „Diplomaten Apollo“, wie er hinter vorgehaltener Hand auch genannt wurde, legte man zudem mehrere Selbstmorde unglücklicher Frauen zur Last, darunter auch sehr junge Damen der Gesellschaft.  


Die Ehe verlief wenig harmonisch, schon drei Wochen nach der Hochzeit kam es zu ersten schweren Zerwürfnissen und Ehebruch von Damalas Seite. Seine Versuche, als Schauspieler Anerkennung zu finden, scheiterten, aus dem Schatten seiner berühmten Frau herauszutreten sollte ihm niemals gelingen. Bereits zur Zeit der Eheschließung war Damala als Morphinist bekannt, in den Folgejahren stellte sich eine schwere Abhängigkeit ein, die ihm bereits mit vierunddreißig Jahren das Leben kostete. Trotz der äußerst6ht von ihm scheiden lassen. Sie trug seinen Namen, wenn auch nicht auf der Bühne, als Andenken an ihren kapriziösen, eigenwilligen Ehemann. 5


Als Sarah Bernhardt 1923 schließlich verschied war auch ihr reales Sterben fern der Bühne ein Ereignis der Superlative geworden. Die berühmte Französin bekam ein Staatsbegräbnis in Paris, der Trauerkondukt umfasste mehr als fünfhunderttausend Menschen.  Noch heute kann man einige bewegte Bilder dazu auf YouTube betrachten.