Rosa Schaffer- Wie eine Wienerin das Make-up erfand

Eine junge Frau errichtet Ende des 19. Jahrhunderts ein wirtschaftliches Imperium mitten in Wien. Ihr Erfindungsgeist, ihre geschäftliche Kompetenz und ihr Charme katapultieren sie in die Welt der Schönen und Reichen. Selbst Kaiser und Könige werden auf ihre Produkte aufmerksam. Lest/Hört hier die Erfolgsgeschichte von Rosa Schaffer, der Wiener Kosmetikunternehmerin.

 

 

Reklamepostkarte Rosa Schaffer
Unbekannt, Reklamepostkarte der Kosmetikherstellerin Rosa Schaffer, 1., Graben 14, ca. 1890–1900, Wien Museum Inv.-Nr. 303158/6, CC0.

Man konnte Landgerichtsrat Gabriel die Verzweiflung geradezu ansehen, als die alte Dame sich vor ihm in resoluter Manier verteidigte: 

“Ich hab in meinem ganzen Leben noch niemanden beleidigt”, rief sie aus, “und gedenke es auch jetzt nicht mehr zu tun!” 

Der Saal des Bezirksgerichts Döbling war ungewohnt gut besucht, an jenem Julimorgen, sogar einige Reporter hatten sich unter die Zuseher gemischt und verfolgten das Geschehen aufmerksam. Dabei handelte es sich bei dieser Zusammenkunft vor dem Bezirksgericht keineswegs um einen spektakulären Fall, von denen die Zwischenkriegszeit einige zu erzählen hatte. Eine alte Dame war von ihrem Hausmeister vielmehr auf Ehrenbeleidigung geklagt worden, weil sie diesen angeblich einen Pücher (Wiener Ausdruck für Verbrecher, Anm.) und Gauner geschimpft hatte. Mit Absicht habe der hinterfotzige Hausmeister die Rattenköder so platziert, dass drei Hühner von Frau Pfennigberger daran eingegangen seien, und außerdem hatte Johann Boschka keinerlei Hemmungen gezeigt, im Suff auch noch den Kochsalat der alten Frau ausreißen. 

“Ich hab nur gesagt, dass der Hausmeister die Köder vielleicht aus Bosheit nicht sorgfältig weggeräumt hat, denn er hat mir schon manches zu Leide getan, und er äußerte sich wiederholt, er hoffe, dass ich bald krepiere.”1

Richter (zum Kläger): “Gehört sich das?” 

Johann Boschka war in der ganzen Nußdorfer Straße für sein rohes, ungehobeltes Wesen bekannt, und Richter Gabriel konnte sich den Sachverhalt lebhaft vorstellen. Trotzdem: Es gab Zeugen. Rosa Pfennigberger hatte ihrem Ärger lauthals Ausdruck verliehen, und obwohl der Landgerichtsrat persönlich ein gewisses Mitleid für die alte, ärmlich gekleidete Dame aufbrachte, musste dem Gesetz genüge getan werden. Da half auch Pfennigerberges verzweifelter Einwand, sie sei eine Dame mit Manieren, sie hätte einst einen Ring von Napoleon III. geschenkt bekommen, nichts. Dies aber war der Moment, in welchem die anwesenden Reporter hellhörig wurden. 

“Es ist kein Vergnügen, eine alte, kranke Frau, die ihr Leben lang unbescholten war, verurteilen zu müssen”, stellte Richter Gabriel trocken fest und verkündete eine Strafe von fünf Schilling. Geringer, so waren sich die Gerichtskiebitze einig, hätte der zu zahlende Obolus kaum ausfallen können. Und dann, irgendwo aus den hinteren Reihen des Publikums, fielen plötzlich die magischen Worte, einer spontanen Bezeugung von Solidarität gleich: “Schönheit ist Reichtum, Schönheit ist Macht!”2 

Im Jahre 1927, am Ende eines ebenso unbedeutenden wie traurig anzusehenden Gerichtsprozesses, mag dieser Slogan deplatziert und unverständlich gewirkt haben. Vierzig Jahre zuvor allerdings, im "Vorkriegs Wien", wie man die ehemalige Residenzstadt der Habsburger damals gerne zu nennen pflegte, hatte es wohl keine Zeitung und kein Salonblatt gegeben, in welchem dieser Werbespruch nicht aufgetaucht wäre - neben dem Gesicht von Rosa Pfennigberger: 

“Mme. Rosa Schaffer, kgl. Serb. Hof- und Kammer - Lieferantin, Wien I. Kohlmarkt 6. 

Poudre ravissante k. k. pat. u. priv., ist für jede Dame die es einmal versuchte, unentbehrlich, macht die Haut blendend weiß, lässt unter seinem herrlichen Email alle Hautschäden, ja selbst Blatternarben und Muttermale verschwinden, glättet die Runzeln und Falten der Haut, zieht die erweiterten Poren zusammen, und lässt jedes Frauenantlitz blendend, jugendfrisch und transparent erscheinen.”3

Mit den Worten, “Schönheit ist Reichtum, Schönheit ist Macht”4 allerdings bekam die Anzeige erst ein Gesicht und führte unverwechselbar zu jenen Wundermitteln, welche den Teint jeder Frau einer Porzellanpuppe gleich erstrahlen lassen sollten. 

Als geschickte Geschäftsfrau beließ es Rosa Schaffer aber nicht nur dabei, ihre Produkte anzupreisen. Schon damals erkannte sie den Wert von Kundenbewertungen und druckte entsprechende Briefe in ihren Werbeaussendungen ab: 

“Ersuche mir postwendend ein Poudre ravissante, einen Tiegel Creme ravissante und einen Flacon Eau ravissante zu senden. Ich gebrauche Ihre Mittel bereits seit zwei Jahren und bin mit der Wirkung außerordentlich zufrieden”, hieß es da beispielsweise aus Dresden.5

Ältere Wiener konnten sich auch in den 20er Jahren noch gut erinnern, an die hochgewachsene, elegante Frau, mit den wallenden Gewändern und dem typischen “Makart Hut”, wie sie über den Graben flanierte, und von allen gegrüßt wurde. Rosa Schaffer, so hieß es, habe die Kosmetik nach Wien gebracht. Nicht importiert, nein. Das Poudre ravissante, die Creme ravissante und wie die Produkte alle hießen, kamen aus ihrer eigenen Werkstatt, und vollbrachten in einer Zeit, als die Kosmetik noch in den Kinderschuhen steckte, an den Damen angeblich wahre Wunder. 

Der große Erfolg Rosa Schaffers lag auch in dem Umstand, dass sie ihre Produkte selbst nutze, und so Werbeträger ihrer eigenen Marke wurde. Andererseits verstand es Frau Schaffer vorzüglich das zu betreiben, was heute unter dem Begriff “networking” zusammengefasst werden könnte. Der Malerfürst Makart verewigte sie gleich mehrmals in Öl und entwarf opulente Kleider, in denen sie, einer Renaissance-Göttin gleich, aus ihren eigenen Gemälden entsprungen zu sein schien. 

Im Jahre 1879 führte die schöne Rosa in einem von sechs Lipizzanern gezogenen Wagen als Blumengöttin Flora den Huldigungs Festzug zu Ehren der Silberhochzeit des Kaiserpaares über die Ringstraße an. 

“Der Wagen”, so schrieb die Morgen-Post vom 28. April 1879, “stellte eine Laube dar, welche mit Schlingpflanzen umwunden, und reich von Blumen und grünen Pflanzen umgeben ist.”6

“Die Repräsentantin der Flora - eine junonische Gestalt von blühender Schönheit - in Rosa, mit kirschrotem Samte geputzter und reich mit Gold durchwirkter Seidenrobe nach der Mode des 16. Jahrhunderts, und im breitkrempigen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Strohhute - strahlte als wahre Blumenkönigen auf ihrem Sitze, und fesselte die Blicke der Zuseher nicht weniger, als der reiche Blumen- und Blütenschmuck, der sie umgab”7, schrieb die Neue Freie Presse. 

Der Moment, in welchem die Königin der Kosmetik der Kaiserin von Österreich einen Blumenstrauß überreichte, blieb den Wienern lange in Erinnerung. Niemals war Frau Schaffers Popularität größer als in jenen Tagen. 

Betrachtet man die Werbeanzeigen zu den diversen Schönheitsartikeln Rosa Schaffers etwas genauer, so lässt sich die dunkle Seite des enormen Erfolges der ehemaligen Tuchhändlersgattin bereits erahnen: 

“Wegen Nachahmung achte man genau auf den Namen”, steht dort zu lesen, in späteren Anzeigen taucht auch das Wort “Fälschung” auf.8 Ohne Zweifel war Rosa Schaffer die erste bekannte Kosmetikhändlerin in Wien, doch nicht die einzige. Schnell etablierten sich andere Geschäfte, boten ihre Produkte oft deutlich billiger an und überschwemmten den Markt aufgrund neuer Produktionstechniken mit Massenware. Ähnlich wie andere Exklusivmarken, deren Absatzmärkte sich vor allem in den obersten Gesellschaftsschichten befanden, wurde auch die Marke Ravissante ein Opfer der sich verändernden Zeit. Hatte Rosa Schaffer noch wenige Jahre zuvor an das serbische Königshaus, den deutschen Kaiser und die Familie Habsburg in Wien geliefert, so blieb nach dem Krieg kein Platz mehr für teure Kosmetika.  

“Schönheit ist Reichtum, Schönheit ist Macht! Dieser Spruch war im alten Wien, damals als die Bemalung des Frauenantlitzes noch in ihren Kinderschuhen steckte, als man die Augenbrauen noch nicht rasierte, ja nicht einmal die Finger manikürte, ein geflügeltes Wort”, schrieb die Illustrierte Kronen Zeitung im Zuge eines kurzen Nachrufes im Juni 1931, und merkte so unmissverständlich auch die enormen Fortschritte der Schönheitsindustrie seit Rosa Schaffer an.9  

Die Göttin der Blumen selbst aber war mit 83 Jahren arm und einsam verstorben. 

  • 1Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1927
  • 2Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1927
  • 3Wiener Salonblatt, 30.Dezember 1900
  • 4Ebenda
  • 5Ebenda
  • 6Morgen-Post, 28. April 1879
  • 7Neue Freie Presse, 28. April 1879
  • 8Wiener Salonblatt, 30. Dezember 1900
  • 9Illustrierte Kronen Zeitung, 10. Juli 1931