Mayerling und das letzte Porträt des Kronprinzen- Epilog

(TW: Suizid) Um die Mittagsstunde traf die Botschaft vom Tod des Kronprinzen in der Wiener Hofburg ein - noch sprach man dort von Gift. Bald schon aber bahnten sich Gerüchte und Spekulationen aller Art den Weg in die Öffentlichkeit, ein Kampf gegen den ausufernden Skandal begann, der bis zum Tod Kaiser Franz Josephs nicht mehr beendet werden konnte. Eine Vielzahl an Schriften, Artikeln und Büchern wurde verfasst, Gewinnsucht und der Wunsch nach Rehabilitierung ließen viele zur Feder greifen. Das Schicksal der toten Mary Vetsera indes blieb ein unwürdiges, pietätlos war der Umgang mit ihren sterblichen Überresten, bis weit in das 20 Jh. hinein. Doch welche Auswirkungen hatte die Affäre Mayerling auf das österreichische Kaiserhaus und wie ging es mit den involvierten Personen weiter? Höre/Lest hier den letzten Teil der Trilogie rund um das Ableben Kronprinz Rudolfs und Baronesse Mary Vetseras und erfahre mehr zu den Hintergründen und Konsequenzen.

Das Vaterland, 12.02.1889:

Das letzte Porträt des Kronprinzen-

Die neue freie Presse meldet: Der Maler Thaddäus von Adjukiewicz, welchen der Kronprinz noch fünf Tage vor der Katastrophe in Mayerling zu einem Porträt gesessen, war für gestern zum Kaiser beschieden worden, um demselben das Bilddes Kronprinzen zu zeigen. Herrv on Ajdukiewicz wurde um halb 10 Uhr Vormittags vom Kaiser empfangen, nachdem in dem Empfangsaale das Bild auf eine Staffelei gestellt worden war. Lange betrachtete der Kaiser wehmütig das Porträt seines Sohnes.

Dasselbe ist ungefähr anderthalb Meter hoch und stellt den Kronprinzen als General der Infanterie auf seinem Lielingspferde, der braunen Stute "Lori", sitzend, dar.

Ajdukiewicz erzählte dem Kaiser, daß der Kronprinz für das Porträt nur zweimal gesessen, dasselbe für den Kaiser bestimmt und wiederholt den Wunsch ausgedrückt habe, dass das Porträt am 1. Februar fertiggestellt sei. Der Kaiser gestattete, dass das Porträt öffentlich ausgestellt werde. Dann ließ der Kaiser die Kaiserin herbeirufen, und das Kaiserpaar blieb ziemlich lange in der Betrachtung des Bildes versunken. Herr von Ajdukiewicz begab sich dann mit dem Bilde zur Kronprinzessin= Witwe Stephanie welche eine Copie des Porträtes bestellte.

 

 

War es tatsächlich nur ein Schuss, an jenem Morgen des 30. Jänner 1889, so wie Kammerdiener Loschek es uns zunächst in seiner ersten Niederschrift glauben machen wollte? Hat Loschek in der allgemeinen Aufregung jener kurzen Momente vielleicht etwas verwechselt, später bei der Niederschrift etwas falsch zugeordnet, oder die Dinge letztlich doch mit Absicht anders dargestellt?

Die wohl früheste Version über das Ableben des österreichischen Kronprinzen, wie sie in der Familie Habsburg Verbreitung fand, ging ursprünglich auf Johann Loschek zurück und sprach von Gift. Loschek, der die Türfüllung in Gegenwart des Grafen Hoyos und Prinz Philip Coburgs mit einer Handaxt einschlug und als erster durch die erbrochene Türe lugte, sah Kronprinz Rudolf in unnatürlicher Stellung am Rand des Bettes, vornüber gebeugt, der Boden voll von Blut. Aus dieser Blutlache wollte der Kammerdiener, auch wenn er keinerlei medizinische Kenntnisse besaß, einen Blutsturz abgeleitet und so den Tod durch Gift erkannt haben. Man darf an dieser Stelle anmerken, dass es im Schlafzimmer Rudolfs mit Sicherheit noch dunkel war, denn die Läden waren nachweislich geschlossen, der winterliche Morgen gegen 8.30 Uhr noch dämmrig und elektrisches Licht im Jahre 1889 noch nicht installiert.1

Graf Hoyos jedenfalls kam die undankbare Aufgabe zu, die Todesnachricht des österreichischen Kronprinzen in die Hofburg zu tragen und die offiziellen Stellen zu informieren. Offensichtlich aus mangelnder Courage nahm man allerdings den Umweg über Kaiserin Elisabeth, die sich zu diesem Zeitpunkt in Wien befand, um Kaiser Franz Joseph die Hiobsbotschaft zu überbringen.

Schnell setzten sich auch andere Versionen, beispielsweise die eines Herz- oder Hirnschlags durch, auch ein Jagdunfall wurde kolportiert. Die Presse erging sich in Spekulationen.

Mary Vetsera Grab
Das Grab von Mary Vetsera in Heiligenkreuz ©PoFu

Baronin Vetsera, Marys Mutter, bekam die tragische Mitteilung letztlich durch Kaiserin Elisabeth und den Wiener Hof vermittelt. In einer später aufgesetzten Denkschrift schilderte sie die Szene, als die Kaiserin von Österreich ihr in einer kurzen Audienz das tragische Schicksal ihrer Tochter schilderte. In der Denkschrift ebenfalls beschrieben ist der weitere Weg Marys, der pietätlose Umgang mit den sterblichen Überresten der Tochter, das Versagen aller Rechte und Pflichten religiöser Natur, das unwürdige Begräbnis am Friedhof von Heiligenkreuz. Da die Giftversion implizierte, dass Mary Rudolf ermordet haben könnte und Baronin Vetsera somit die Mutter einer Kronprinzenmörderin wäre, wurde ihr von offizieller Stelle nahegelegt, Wien rasch zu verlassen. Dieser Aufforderung leistete sie allerdings nur bedingt folge.2

Neben politischen und dynastischen Konsequenzen sollte die Mayerling Affäre tiefe Narben im Ansehen des Hauses Habsburg hinterlassen. Eine Unzahl an Theorien, Spekulationen und Versionen über den Hergang jener Ereignisse in der Nacht zum 30. Jänner 1889 entstand, vom Jagdunfall, über einen Mord aus Eifersucht, einen Missglückten Abtreibungsversuch an Mary, bis hin zu einem „Amerikanischen Duell“ reichte die Palette der Versionen. Noch Jahrzehnte später ergingen sich Autoren und Journalisten in teils abenteuerlichen Elaboraten zum Thema Mayerling, bis zu seinem Lebensende hatte Kaiser Franz Joseph mit Erpressungsversuchen

unlauterer Schriftsteller und Verleger zu tun, die aus dem Skandal von 1889 Kapital zu schlagen versuchten. Auch Marie Gräfin Larisch, eine der Hauptpersonen jener Ereignisse, versuchte in späteren Jahren neben einer Rehabilitation ihrer Person auch finanzielle Vorteile auf diese Weise zu lukrieren.3

Letztlich wurde auch der Ort des Dramas selbst, das Jagdschloss Mayerling, den Wünschen Kaiser Franz Josephs entsprechend umgestaltet und zum größten Teil in ein Kloster verwandelt. Das eigentliche Schlafzimmer beschreibt jetzt den Altarraum, eine heute öffentlich zugängliche Seitenkapelle das Schlafzimmer Loscheks. Ebenfalls untergebracht im Gebäude ist ein Museum, welches den Hergang der Dinge dokumentiert.

Sarg von Kronprinz Rudolf
Der Sarg von Kronprinz Rudolf ©PoFu

Wohl alle involvierten Personen litten Zeit ihres Lebens unter der Bürde der Affäre Mayerling. Während Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth den schmerzlichen Verlust des eigenen Kindes zu verarbeiten hatten, verstieß man Marie Gräfin Larisch vom Wiener Hof. Zeit ihres Lebens sollte sie „jene Gräfin Larisch“ bleiben, der man den Tod des Kronprinzen von Österreich und Mary Vetseras anlastete. Aber auch Baronin Helene Vetsera verlor ihren gesellschaftlichen Status, ihre Reputation und ihren finanziellen Rückhalt. Ähnlich wie Gräfin Larisch sollte auch sie ihre eigenen Kinder überleben und Jahre später verarmt und einsam sterben. Für Kronprinzessin Stephanie war der Traum von kaiserlichen Würden für immer verloren, nicht wenige lasteten ihr eine Mitschuld an der Katastrophe an, wollten in ihr eine schlechte Ehefrau gesehen haben, die an Rudolfs Verzweiflung Anteil hatte. Schon bald ging sie neue Wege, fernab des österreichischen Kaiserhauses. Stephanies und Rudolfs einziges Kind, Erzherzogin Elisabeth Marie schließlich, verblieb in Wien, unter der Vormundschaft des gestrengen Kaisers. Aber auch sie sollte von sich reden machen. Die Tochter des Kronprinzen von Österreich schrieb schon bald ihre eigene Geschichte.

  • 1Die Lösung des Rätsels, 1980 Wien.
  • 2Markus, Georg, Unterreiner, Katrin, Das Original- Mayerling Protokoll, 2014 Wien.
  • 3Die Lösung des Rätsels, 1980 Wien.