Martha Marek- Die schöne Giftmörderin

Das Auditorium hielt den Atem an, als Martha Marek in den Gerichtssaal getragen wurde. Da die Angeklagte angab, schwer erkrankt und halb blind zu sein, wurde sie auf einer Sänfte in den großen Schwurgerichtssaal in Wien getragen. Das Publikum war elektrisiert. Als man die rot-blonde Frau mit den fein geschnittenen Gesichtszügen schließlich vor dem Richter abstellte, wollte so mancher Gerichtsreporter das absolut Böse in dieser zierlichen Gestalt erkannt haben. Wegen Betrugs, Erbschleicherei und Diebstahls war sie bereits vor dem Richter gestanden und nun wegen Mordes. Ihre eigenen Kinder waren ihr zum Opfer gefallen, ihre Tante, ihre Nachbarin. Ihren Ehemann brachte die hochmanipulative Marek dazu, sich bei vollem Bewusstsein ein Bein abzuhacken - als er ihr schließlich lästig wurde, räumte sie auch ihn aus dem Weg. Trotz ihres stets freundlichen und charmanten Auftretens gilt Martha Marek bis heute als eine der gewissenlosesten Serienmörderinnen, die Europa je zu Gesicht bekam.  Hört/Lest hier ihre dunkle Geschichte.

Martha Marek darf als Kuriosum der österreichischen Kriminalgeschichte begriffen werden – und das aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen manifestierte sich in der zierlichen Frau mit dem rot-blonden Haar und dem vornehmen Auftreten eine Schwerstkriminelle, wie sie Wien noch nicht gesehen hatte. Andererseits verstand es die Marek über lange Zeit vortrefflich, die Öffentlichkeit für sich einzunehmen und die österreichische Presselandschaft als Verbündeten zu gewinnen, gegen eine Justiz, die so tatsächlich unter Druck geriet. Der Verlauf des berühmtesten Marek-Prozesses im Jahre 1927 zeigt das deutlich. Zu guter Letzt ist es die, von Marek angewandte Tötungsmethode, welche über lange Zeit hinweg unentdeckt blieb, und die österreichische Gerichtsmedizin offensichtlich vor Herausforderungen stellte. Auf das Schwermetall Thallium war bei diversen toxikologischen Gutachten einfach nicht getestet worden – Mareks Opfer verstarben offiziell an schweren Erkrankungen wie Krebs oder diversen Nervenleiden. Das ungeheure Leid der Sterbenden nahm ihre Mörderin dabei ohne jede Regung in Kauf.

Zur Welt kam Martha Marek, geborene Löwenstein, 1897 als Tochter eines Bahnangestellten, der die kleine Familie bereits 1905 verließ und nach Nordamerika auswanderte. Sehen sollte Martha ihren Vater Rudolf nie wieder, das prekäre, finanzielle Auskommen für Martha und ihre Schwester musste zunächst von der Mutter alleine bestritten werden.

Bereits mit 12 Jahren lässt sich ein Nahverhältnis Marthas zu einem Kaufmann mit Namen Moritz Fritsch ausmachen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit sexuell geprägt war und mehrere Jahre andauern sollte. Die Aussagen der Angehörigen Fritsch‘, der zu jenem Zeitpunkt bereits 62 Jahre alt war, legen nahe, dass Familie Löwenstein den Kaufmann erpresste und mit Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Sittlichkeit drohten. Martha Löwenstein jedenfalls zog dauerhaft in die gemietete Villa Fritschs ein, drängte sowohl die Ehefrau als auch dessen leibliche Kinder aus dem Haus und führte so schon in sehr jungen Jahren das Leben einer betuchten Hausherrin. Die Eigentümlichkeit dieser Situation wird auch dadurch unterstrichen, dass Emil Marek, Marthas späterer Ehemann, noch zu Lebzeiten Moritz Fritsch ebenfalls in dessen Villa einzog.1

Emil &Martha Marek
Emil & Martha Marek. © ÖNB

1923, drei Monate nach dem Tod von Moritz Fritsch heiratete Martha den um sechs Jahre jüngeren Emil Marek gegen den Willen dessen Eltern. Marek war Technikstudent, gab sein Studium allerdings bald auf und versuchte sich in den kommenden Jahren als glückloser Erfinder.2

Bereits ein Monat nach der Eheschließung gingen die - gegen Brandschaden hoch versicherten - Möbel in Mareks geerbter Mietvilla in Flammen auf – der erste Versicherungsbetrug Marthas lässt sich an dieser Stelle als Beginn einer ganzen Reihe ähnlicher Verbrechen festmachen. Da die angestrebte Versicherungssumme tatsächlich ausbezahlt wurde, verlegte sich das unter chronischer Geldnot leidende Paar auf Betrügereien unterschiedlichster Art. Neben weiteren, zum Schein abgeschlossenen Versicherungen, kamen bald auch zwielichtige Immobilienspekulationen hinzu.

Die Versicherungsgesellschaft „Anglo-Danubian Lloyd“ schließlich versicherte Emil Marek bei Todesfall auf 100000 Dollar, bei bleibender Invalidität auf 400000 Dollar. Diese horrend hohen Beträge in den Verträgen konnten nur durch Vorspielen falscher Tatsachen erreicht werden. Marek gab sich etwa als Ingenieur aus, als Grubenbesitzer und Leiter eines zu bauenden Elektrizitätskraftwerks bei Königsdorf. Er machte sich um 10 Jahre älter und ließ sich einen dichten Vollbart wachsen, um seiner Erscheinung, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, mehr Gewicht zu verleihen. 3

Am 11 Juni 1925, bereits einen Tag nach Ausfolgerung der Versicherungspolizze, wurde Emil Marek mit verstümmeltem, linkem Unterschenkel ins Mödlinger Krankenhaus gebracht. Er behauptete, sich beim Bearbeiten einer Holzpuppe schwer verletzt zu haben. Laut Ehepaar Marek hatten zudem zwei

Spitalsätzte an dem Bein erfolglos im Auftrag der Versicherungsgesellschaft manipuliert. Ein Spitalsdiener (wegen Eigentumsdelikten bereits vorbestraft) ließ sich zudem zu einer Falschaussage bestechen. 4

Der eigentliche Hauptprozess wegen Versicherungsbetrugs startet am 29. März 1927 nach längerer Voruntersuchung. Emil Marek wurde des Versicherungsbetruges angeklagt, Martha Marek und ihre Schwester Paula Löwenstein auch auf falsche Zeugenaussage und Verleumdung. Spitalsdiener Karl Mratz und dessen Frau Marie wurden ebenfalls auf Falschaussage angeklagt. 

Zum Unfallhergang gab Marek an, er habe an einer elektrisch betriebenen, automatischen Puppe gearbeitet, und dabei einen Holzklotz mit der Axt behackt. Dabei sei die Axt abgeglitten.

Mareks Hose und die Socken des verletzten Beins waren allerdings von der Schwägerin Paula Löwenstein verbrannt worden. Verdächtig erschien auch, dass mehrere Ärzte unabhängig voneinander feststellten, dass Mareks Bein durch mehrere Hiebe abgetrennt worden war, was einen Unfall praktisch ausschloss.5

Die Mareks wurden nach einem aufsehenerregenden Prozess letztlich zu 7 Monaten Kerker wegen Falschaussage und Bestechung verurteilt. 180000 Schilling wurden von der Versicherung trotzdem ausbezahlt, ca. 100000 Schilling allerdings mussten als Gerichtskosten abgeführt werden. Nach Schuldentilgung verblieben Familie Marek rund 20000 Schilling. 6

Als Martha Marek 1927 ihre Strafe im Gefängnis zu verbüßen hatte, bekam sie Kontakt zu einer gewissen Leopoldine Liechtenstein, die wegen Mordes an ihrem Ehemann verurteilt worden war. Lichtenstein hatte erstmals in der österreichischen Kriminalgeschichte das Schwermetall Thallium als Mordinstrument genutzt und dürfte Marek auf diese Weise inspiriert haben. Die, in dem kommenden Jahren ausgeführten und versuchten Morde Martha Mareks lassen sich ausnahmslos auf die Gabe von Thallium über längere Zeiträume hinweg zurückführen. Thallium war als Bestandteil des Rattengifts „Zelio“, in Form einer Paste zudem ohne besondere Auflagen frei zu erwerben. 7

Marthas nun beginnende Morde gingen einher mit dem sozialen und finanziellen Abstieg Familie Mareks und der drohenden Verarmung. Das Unvermögen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, gepaart mit dem Wunsch weiterhin einen hohen Lebensstandard zu genießen, ließ Martha zu drastischen Mitteln greifen.

1932 in der Schrebergarten-Siedlung „Am Ameisbach“ in Wien praktisch verarmt, hauste die sich nun vergrößernde Familie in einer Gartenhütte. „Es graut ihr vor einem Krüppel“ soll Martha über ihren Mann gesagt haben, der längst nur noch Ballast in ihrem Leben darstellte. Auch die beiden kleinen Kinder trugen nichts positives zu Martha Mareks Leben bei.

Anfang Juli 1932 schließlich wurde Emil Marek krank. (Lähmungen an Armen und Beinen, Sprechbeschwerden und Schluckbeschwerden.), am 31. Juli starb er im Spital. Am 2. September 1932 starb zudem die gemeinsame Tochter Ingeborg im Säuglingsalter . Noch zuvor war der 3-jährige Alfons erkrankt. Nachbarin Eugenie Hellinger als Zeugin (Starkes Erbrechen, grünlicher, schaumiger Auswurf). Auch Martha Marek erkrankte zunächst, Mutter und Kind wurden ins Spital gebracht, wo sie gesundeten. 8

Martha Marek vor Gericht
Martha Marek vor Gericht. ©ÖNB

Im Sommer 1934 starb die 67-jährige Großtante, Oberstabsarztwitwe Susanne Löwenstein unter ähnlichen Umständen wie zuvor Marthas Ehemann. Der Hausarzt diagnostizierte Krebs. Schmuck, Silberzeug, wertvolle Teppiche usw. gingen in den Besitz der Marek über.

Im Juni 1936 schließlich überredet Marek ihre Untermieterin Felizitas Kittenberger (54 Jahre alt) zum Abschluss einer Lebensversicherung, wobei die Auszahlung 5000 Schilling betrug. Als der Sohn, Herbert Kittenberger, welcher über den Gesundheitszustand seiner Mutter stets bestens informiert gewesen war, Marek des Giftmordes an seiner Mutter beschuldigte, wurde letztlich einer Autopsie angeordnet, in welcher große Mengen Thallium gefunden wurden. Auch bei den anderen drei Leichen konnten eindeutig Thallium Rückstände festgestellt werden. 9

Martha Marek wurde nach einem weiteren, aufsehenerregenden Prozess zum Tode verurteilt. 1938 hatte sie die Sympathien der Öffentlichkeit längst eingebüßt, ihre theatralischen Vorstellung im Gerichtssaal erzielten keineswegs die gewünschte Wirkung. Martha Marek wurde am 6. Dezember 1938 durch das Fallbeil in Wien hingerichtet. Zu dieser Zeit war der österreichische Galgen bereits dem Schafott des etablierten NS-Regimes gewichen.

  • 1Die Stunde, 1925.
  • 2Der Montag, 1925.
  • 3Die Stunde, 1927.
  • 4Die Stunde, 1927.
  • 5Die Stunde, 1927.
  • 6Die Stunde, 1927.
  • 7Illustrierte Kronen Zeitung, 1927.
  • 8(Neuigkeits) Welt Blatt, 1938.
  • 9(Neuigkeits) Welt Blatt, 1938.