Luise von Toskana- Die verstoßene Kronprinzessin

Luise von Toskana war keine gewöhnliche Kronprinzessin – sie war eine Frau mit starkem Willen, die sich gegen die strengen Konventionen des sächsischen Hofes auflehnte. Ihre Flucht, ihre Affären und ihr bewegtes Leben sorgten für einen der größten Skandale des deutschen Hochadels. In dieser Folge erfährst du, warum Luise ihre Kinder zurückließ, wie sie mit ihrem Liebhaber nach Genf floh und warum sie am Ende in Armut starb. Eine Geschichte voller Mut, Liebe und gesellschaftlicher Zwänge.

 

Luisa von Toscana und Giron
Luise von Toscana und  Andre Giron ©ÖNB

Kaiser Franz Joseph hatte wohlwollend sein Einverständnis gegeben, und auch Albert, König von Sachsen, war der Vermählung seines Sohnes Friedrich August mit Erzherzogin Luise von Habsburg- Toskana durchaus positiv gegenübergestanden. Die Trauung des jungen Paares erfolgte in der Wiener Hofburg, ein großes Galadiner folgte. Die Eheleute von edlem Geblüt zeigten allgemein durchaus Sympathie füreinander.1

Wohl kaum jemand hätte an jenem feierlichen Tag gedacht, dass sich knapp elf Jahre nach der imperialen Eheschließung im Jahre 1902 einer der größten Eheskandale im deutschen Hochadel ereignen würde – ausgelöst durch Luise, die zunehmend widerspenstig werdende Kronprinzessin von Sachsen.   

Schon in jungen Jahren hatte die im Jahre 1870 geborene älteste Tochter des toskanischen Großherzogs Ferdinand einen starken Willen, ein hohes Maß an Durchsetzungskraft und eine gehöriges Maß an Intelligenz gezeigt. Leicht erziehbar war die älteste Tochter des Großherzogs von Toskana nicht gewesen, Lehrer und Erzieherinnen hatten ihre liebe Not mit ihr, besonders aber das streng religiöse Umfeld, in dem sie heranwuchs, machte ihr zu schaffen. 2

Luise als Kronprinzessin von Sachsen
Luise als Kronprinzessin von Sachsen © ÖNB

Folgt man ihren Aufzeichnungen, so empfand Luise für ihren zukünftigen Ehemann Friedrich August tatsächlich Sympathie, die Zeit ihres Lebens nicht zu erlöschen schien. Auch in den späteren Jahren, als man der ehemaligen Kronprinzessin und Erzherzogin längst alle Titel und Privilegien aberkannt hatte, Luise mit Schimpf und Schande aus dem Königreich Sachsen verbannt worden war, fand sie für ihren Ehemann noch zumindest freundliche Worte. Auf die Frage, ob Friedrich August sie betrogen oder misshandelt hätte, reagierte sie empört, und bezeichnete ihn als guten Ehemann und Vater. Durchsetzungskraft allerdings, besonders in Bezug auf den strengen und äußerst religiösen Schwiegervater, hatte Friedrich August nicht besessen. Konflikte am religiös verbrämten sächsischen Hof hatte die lebenslustige Kronprinzessin stets selbst zu auszufechten, Hilfe durfte sie sich von ihrem Mann kaum erwarten. Als Luises Schwiegervater, Prinz Georg von Sachsen, nach dem Tod König Alberts widererwarten selbst den Thron bestieg, war der habsburgischen Kronprinzessin ein übermächtiger Feind erwachsen. Und tatsächlich machte die junge Frau einen kapitalen Fehler. Eine intime Affäre mit dem Sprachlehrer ihrer Kinder, Andre  Giron, blieb den Spionen am sächsischen Hof nicht verborgen. Obwohl man die Kronprinzessin nicht – wie später behauptet – in flagranti ertappt hatte, wurde die Affäre öffentlich und zum Skandal. Aus Angst vor einer Einweisung ins Kloster oder einer sogenannten Irrenanstalt trat die Kronprinzessin unter dem Vorwand, ihre Eltern besuchen zu wollen, ihre Flucht aus dem Königreich Sachsen an. Ihre mittlerweile fünf Kinder ließ sie zurück, ein sechstes trug sie, sehr zur Freude der Klatschpresse, unter dem Herzen. Wer der Vater war dieses sechsten Kindes war, ist bis heute Gegenstand von Spekulationen, Kronprinz August Friedrich erkannte das Mädchen allerdings als seine Tochter an. 

Das liberale Genf sollte für kurze Zeit Zufluchtsort für die nun ehemalige Kronprinzessin von Sachsen werden. In einem Hotel, welches in unmittelbarer Nähe des berühmten Hotels Beau Rivage lag, in welchem wenige Jahre zuvor Kaiserin Elisabeth ihrer Stichverletzung erlegen war, quartierte sich die gefallene sächsische Fürstin mit ihrem Liebhaber Giron ein. Auch Luises Bruder, Erzherzog Leopold, war aus dem Einflussbereich Habsburgs nach Genf geflüchtet, um seine unstandesgemäße Geliebte, Wilhelmine Adamovic, ehestmöglich heiraten zu können. Die beiden Geschwister aus dem Hause Habsburg hatten ihrem Stand aus Liebe endgültig entsagt. 

Ende Dezember 1902 hatte König Georg von Sachsen ein Einreiseverbot über seine ungeliebte Schwiegertochter verhängt. Die weitreichenden Befugnisse des sächsischen Königs ermöglichten es, Luise von ihren Kindern fernzuhalten, welche sie über lange Jahre nicht mehr sehen sollte. Selbst ihren Namen sprach man ihr ab, schon bald war sie weder eine Kronprinzessin von Sachsen noch eine Erzherzogin von Habsburg Lothringen Toskana. In einem weiteren, radikalen Schritt war sogar im Gespräch Luise ob ihrer moralischen Verfehlungen offiziell ihre Weiblichkeit abzuerkennen. Die einstige Kronprinzessin des Königreiches von Sachsen war in der Vorstellung Vieler zu einem namenlosen, geschlechtslosen Wesen degradiert worden.

In den späteren Jahren heiratete Luise den Musiker und Komponisten Enrico Toselli. Die Ehe mit dem um dreizehn Jahre jüngeren Künstler verlief turbulent und wenig harmonisch. Toselli, dessen Ruhm als Musiker bescheidener ausfiel als erhofft, fühlte sich durch seine berühmte Frau eingeengt und bedrängt. Nicht selten zeigten anwesende Journalisten bei seinen Konzertabenden mehr Interesse an der umtriebigen Luise als an seinem Schaffen. Zudem legte die ehemalige Kronprinzessin eine gewisse innere Unruhe an den Tag, begann ausgiebig zu reisen und wechselte häufig den Wohnort. Der Ehe mit Toselli entsprang ein gemeinsamer Sohn, welchen Luise liebevoll erzog. Letztlich scheiterte die Ehe mit Enrico Toselli an Luises Unrast ebenso wie ihrem Unvermögen sich nachhaltig in eine bürgerliche Existenz zu fügen. Auch ihr Drang nach Unabhängigkeit und Freiheit mag eine Rolle gespielt haben. Als die einstige Hocharistokratin beschloss ihre Memoiren zu veröffentlichen kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Eheleuten Toselli. Der erhoffte literarische Erfolg blieb zudem aus. Die Geschichte rund um die skandalumwitterte ehemalige Kronprinzessin schien abgenutzt. Längst beschäftigte sich die Welt mit anderen Schlagzeilen. 

Die letzten Jahre Luises von Toskana waren von Armut und Entbehrungen geprägt. Die bedeutenden gesellschaftlichen Veränderungen, nicht zuletzt durch zwei Weltkriege herbeigeführt, hatten Luises finanzielle Grundlagen zerstört. Apanagen aus dem ehemaligen Königreich Sachsen existierten nicht mehr, da Luise diese letzten Jahre ihres Lebens in Belgien verlebte und ihre Kinder in Italien und Deutschland wohnten, gestalteten sich Besuche schwierig. Im politisch zerrütteten Nachkriegseuropa konnte sich bereits der Antrag eines einfachen Visums als äußerst kompliziert erweisen. 3

Luise von Toskana, Tochter eines ehemaligen Großherzogs, Kronprinzessin von Sachsen und Erzherzogin von Habsburg Lothringen, starb am 23. März 1947 in ärmlichen Verhältnissen in Ixelles, einem Vorort von Brüssel. 

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    Erika Bestenreiner, Luise von Toskana Skandal am Königshof, Verlag Piper, 2000.

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    ebd.

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    Erika Bestenreiner, Luise von Toskana Skandal am Königshof, Verlag Piper, 2000 .