Das alte Burgtheater stand bis ins Jahr 1888 auf dem berühmten Michaelerplatz mitten in Wien und war Teil des Hofburggebäudes. So benötigte Kaiser Franz Joseph, dessen ‘zweites Wohnzimmer’ das Theater war, nur 5 Minuten, um sich eine Vorstellung anzusehen. Doch Kaiser Franz Joseph hatte Pläne, die Hofburg zu vergrößern und so stand sein geliebtes Theatergebäude dieser Idee im Weg.
Daher wurde 1888 die letzte Vorstellung im Burgtheater gegeben und schließlich das Gebäude abgerissen. Aber der Monarch, der vor allem für den Ringstraßenbau berühmt wurde und somit das Wiener Stadtbild bis heute prägt, hatte sich dafür entschieden, ein neues, größeres Burgtheater als Teil dieser Prachtstraße erbauen zu lassen. Für dieses Projekt wählte er die beiden Architekten Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer. Für die Deckengemälde im neuen Gebäude engagierte er den Maler Franz Matsch und die Brüder Ernst und Gustav Klimt.
Franz Matsch und sein Kollege Gustav Klimt sollten außerdem zwei Bilder für die städtische Sammlung anfertigen, die noch einmal die Atmosphäre des alten Burgtheaters einfangen sollte. Beide Künstler wählten den Innenraum des Theaters: Klimts Gemälde ist aus Blickwinkel des Orchesters gewählt, das Bild von Matsch zeigt den Raum mit dem Blick auf die Bühne und den Vorhang gerichtet.
Beide Bilder zeigen wichtige Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Wissenschaft und sind ein Abbild der bekanntesten Personen aus dem Hochadel und dem Großbürgertum der damaligen Zeit.
Das Bild von Gustav Klimt überzeugte nicht nur Kaiser Franz Joseph sondern auch die Bevölkerung und wurde schließlich 1890 bei der Weltausstellung im Wiener Künstlerhaus ausgestellt. Im Rahmen dessen erhielt Klimt auch als erster Künstler den von Franz Joseph gestifteten Kaiserpreis, dotiert mit 400 Dukaten. 1
In dieser Episode/ in diesem Text stellen wir 9 Persönlichkeiten vor, die auf Klimts Gemälde dargestellt sind:
Thyra von Dänemark
Thyra wurde am 29. September 1853 in Kopenhagen geboren. Ihre Eltern waren König Christian IX. von Dänemark und Luise von Hessen. Insgesamt hatte sie fünf Geschwister darunter auch Alexandra, die mit König Edward VII. von England verheiratet war und Waldemar, der mit Marie d’Orleans verheiratet war, die wir bereits in der Folge “Tattoos- Souvenirs für die Ewigkeit” kennengelernt haben.
Thyra verbrachte eine glückliche, unbeschwerte Kindheit. Für eine Königsfamilie im 19. Jahrhundert, wuchsen die Kinder sehr bescheiden auf: die Räume waren einfach gehalten und teilweise teilten sich die Schwestern das Schlafzimmer. Als Thyra 10 Jahre alt war, wurde ihr Vater König von Dänemark.
Als Thyra 17 Jahre alt war, verliebte sie sich in Wilhelm Friedemann Marcher, einen Leutnant der Kavallerie. Nur kurze Zeit später, wurde Thyra schwanger und reiste, um einen Skandal zu vermeiden, zu ihrem Bruder Waldemar nach Athen. In der Presse wurde geschrieben, dass sie an Gelbsucht erkankt war und diese Reise ihrer Gesundung förderlich sein sollte.
Am 8. November 1871 bringt sie ein Mädchen zur Welt, das schließlich adoptiert wrude und den Namen Maria Katharina erhielt. Wilhelm Marcher beging am 04. Jänner 1872 nach einer Konfrontation mit dem König Selbstmord.
Am 22. Dezember 1878 heiratete sie in Kopenhagen den Kronprinz Ernst August von Hannover, Herzog von Cumberland. Die Ehe galt als glücklich und sie bekamen sechs Kinder. Nach der Heirat wohnten sie zunächst in Gmunden. Die Familie war sehr fot in Wien und war der kaiserlichen Familie eng verbunden. Bei Hof & Kammerbällen war Thyra als Doyenne der ausländischen Fürstinnen an Kaiser Franz Josephs Seite, wenn Elisabeth wieder einmal außerhalb Wiens weilte.2
Die Salonnière Nora Fugger beschreibt Thyra in ihren Memoiren “Im Glanz der Kaiserzeit” so:
“Die Frau des Herzogs Ernst August, Herzogin Thyra, ist die jüngste der drei hübschen Töchter des Königs von Dänemark. Sie war eine der liebenswürdigsten und reizendsten Erscheinungen am Wiener Hof.” 3
Am 26. Februar 1933 starb Thyra und wurde im Mausoleum von Schloss Cumberland in Gmunden beigesetzt.
Moritz Szeps
Der Journalist Moritz Szeps wurde am 05. November 1835 in Galizien als Sohn eines jüdischen Arztes geboren und studierte zunächst Medizin. Ab 1867 wurde er Verleger des “Neuen Wiener Tagblatts”, der wichtigsten liberalen Zeitung Österreichs. Als Eigentümer des neuen Wiener Tagblatts hatte er ein starkes Einkommen und er kaufte sich ein Palais in der Liechtensteinstraße. Das Szeps- Palais war über viele Jahre ein Ort des Austauschs und der Diskussionen für Minister, Abgeordnete, KünstlerInnen und SchriftstellerInnen. Bekannt wurde Szeps vor allem für seine Freundschaft mit Kronprinz Rudolf, der immer wieder anonyme Artikel verfasste, in denen er die Regierung und somit das System seines Vaters stark kritisierte.
Weil der Ministerpräsident Eduard Taaffe Druck auf Szeps ausübte, verließ er im Jahre 1887 das neue Wiener Tagblatt und gründete das “Wiener Tagblatt”, wo er bis 1898 arbeitete. Somit endete auch seine Rolle als politischer Journalist und er widmete sich wieder wie in seinen Anfängen mit der Wissenschaft und gründete erneut eine Zeitung, der er den Namen “Das Wissen für Alle” gab. 4
Moritz Szeps starb am 9. August 1902 im Alter von 66 Jahren. In der Zeitung “Illustriertes Wiener Extrablatt” schließt Robert Wolf mit folgenden Worten seinen Nachruf auf den berühmten Journalisten:
‘Dem Grabe des alten Szeps, der gestern seine so klugen, unter buschigen Brauen hervorblickenden Augen für immer geschlossen hat, darf jeder Journalist eine Scholle der Verehrung widmen.’ 5
Johannes Brahms
Der Komponist wurde am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren. Bekannt ist vor allem seine Freundschaft mit dem Ehepaar und MusikerInnen Robert und Clara Schumann. Das erste Mal nach Wien kam Brahms im Jahr 1862, wo er einige Monate später Chormeister der Wiener Singakademie. Diese Anstellung überforderte ihn jedoch dermaßen, dass er im Jahr 1864 die Zusammenarbeit beendete.
Ende 1871 ließ sich Johannes Brahms schließlich im 4. Bezirk in Wien nieder. Zwar hatte er keine feste Anstellung er verdiente jedoch als berühmter Pianist sehr gut. Die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens war er führende Persönlichkeit der internationalen Musikszene und genoß hohes Ansehen, weit über die Grenzen Wiens hinaus. Zeit seines Lebens bedauerte er, dass in seiner Heimatstadt nie wirklich akzeptiert und gefeiert wurde. Erst nach seinem Tod änderte sich die Haltung der nordischen Metropole.
Johannes Brahms starb am 3. April 1897 im Alter von 63 Jahren. Sein Grab befindet sich am Wiener Zentralfriedhof. 6
Katharina Schratt
Die, am 11. September 1853 in Baden geborene Katharina Schratt erkannte schon in jungen Jahren ihre Leidenschaft für das Theater, doch durch den etwas verruchten Beigeschmack dieses Berufes, waren ihre Eltern alles andere als begeistert von der Idee ihrer Tochter.
Auch einige Jahre auf einem Kölner Internat ließen Katharina nicht umstimmen und so sammelte sie mit bereits 15 Jahren erste schauspielerische Erfahrungen. Sie absolvierte die Kierschnersche Schauspielschule in Wien und gab ihr offizielles Debüt mit 17 bei der Wiener Theater Akademie in Baden.7
Daraufhin folgten mit 19 Jahren Engagements in Berlin sowie etwas später in Sankt Petersburg und New York, bis sie 1883 wieder in die Donaumonarchie zurückkehrte, wo sie dann als Hofschauspielerin am Wiener Burgtheater auftrat. „Die Schratt“ wurde in dieser Zeit zu einer der beliebtesten Schauspielerinnen Österreichs.8
Im Jahr 1879 heiratete Schratt den ungarischen Konsularbeamten Nikolaus Kiss de Ittebe. 1880 wurde das einzige Kind des Ehepaars, ein Sohn namens Anton, geboren doch noch im selben Jahr folgte die Trennung der Eheleute. Zu einer Scheidung kam es jedoch nie.
Heute kennt man Katharina Schratt vor allem für ihre Affären und Beziehungen mit berühmten Männern insbesondere durch die Bekanntschaft mit Kaiser Franz Joseph I., den sie bereits 1883 bei einer Audienz das erste Mal traf, doch erst auf dem Ball der Industriellen 1885 kam es zu einem längeren, heiteren Gespräch zwischen den beiden, das der Kaiser laut Augenzeugen sichtlich genoss. Das erste Treffen mit Kaiserin Elisabeth, die diese "Freundschaft" zeitlebens unterstützte, fand noch im selben Jahr statt.9
Die Beziehung zwischen Katharina Schratt und ihrem „väterlichen Freund“, wie Franz Joseph sich selbst nannte, sollte bis zu seinem Lebensende, wenn auch mit wechselnder Intensität bestehen bleiben. Doch auch, wenn Kaiserin Elisabeth diese Freundschaft förderte, gab es einige Mitglieder des Hofes und auch der Habsburg-Familie, wie etwa die jüngste Tochter des Kaiserpaares, Marie Valerie, die der Schauspielerin nicht unbedingt positiv gestimmt waren.10
Im Laufe der Zeit hielten sie, trotz einiger Zerwürfnisse, den Kontakt aufrecht und es kam weiterhin zu regelmäßigen Treffen zwischen dem Monarchen und der Schauspielerin. Auch mit Schmuck-Geschenken und Geldbeträgen zur Tilgung ihrer Spielschulden bedachte der Kaiser sie.
Im Alter lebte Katharina Schratt zurückgezogen in ihrem Palais in Wien, wo sie am 17. April 1940 mit 86 Jahren verstarb.
Alexander Girardi
Alexander Girardi, der als Schauspieler, Komiker und Operettensänger bekannt wurde, kam am 5. Dezember 1850 in Graz zur Welt.
Mit seiner Ausbildung als Schlosser war der Weg für Girardi eigentlich vorgegeben, jedenfalls wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, der ebenfalls als Schlosser tätig war. Doch das eigentliche Interesse Alexanders lag schon seit jungen Jahren bei der Schauspielerei. Erst nach dem Tod des Vaters und später des Stiefvaters, war es Alexander Girardi möglich sich ganz dem Theater zu widmen. 11
Ohne je Gesangs- oder Schauspielunterreicht absolviert zu haben, folgte sein Debüt im Jahr 1969, und weiters Engagements, nicht nur in Österreich, sondern auch in Berlin, Hamburg und Dresden, wobei er später als Komiker in Operetten und Charakterdarsteller, besonders in den Stücken Ferdinand Raimunds auftrat.12
Doch nicht nur auf der Bühne stellte er sein schauspielerisches Talent unter Beweis, sondern auch in Filmen. Beispielsweise 1913 in dem österreichischen Spielfilm „Der Millionenonkel“, bei dem Hubert Marischka als Regisseur fungierte. Auch Marischkas Bruder Ernst, der später durch die „Sissi“-Trilogie bekannt wurde, gab bei diesem Film sein Debüt als Drehbuchautor.
Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, verließ Girardi nicht nur Wien, sondern verabschiedete sich auch von der Bühne. Nur einmal machte er noch eine Ausnahme: 1918 kehrte er ans Wiener Burgtheater zurück um in Raimunds "Der Bauer als Millionär" zu spielen. Nur zwei Monate nach seiner Rückkehr verstarb er schließlich in Wien.13
Turbulent war auch seine Ehe mit Schauspielerkollegin Helene Odilon, die versuchte mithilfe des bekannten österreichischen Psychologen Julius Wagner-Jauregg ihren Ehemann für unmündig erklären zu lassen. Girardi wiederum suchte Hilfe bei seiner Bekannten, Katharina Schratt, die durch ihre Beziehung zu Kaiser Franz Joseph eingreifen konnte. Aufgrund dieses Skandals lies der Kaiser die „Neurologie-Reform“ einleiten, die eine Neuregelung des Entmündigungsverfahrens vorsah, für die nun ein Gerichtbeschluss notwendig wurde.14
Helene Richter
Helene Richter, welche in späteren Jahren als Anglistin, Theaterwissenschaftlerin und -kritikerin bekannt wurde, kam am 4. August 1861 auf die Welt.
Die, aus einer assimilierten jüdischen Familie stammende Helene, wie auch ihre um vier Jahre jüngere Schwester, Elise, waren äußerst wissbegierig und strebten beide eine akademische Bildung an. Ab 1891 besuchten die beiden Schwestern Vorlesungen an der Universität, jedoch nur als Gasthörerinnen, da es Frauen noch verwehrt war ein Studium zu absolvieren.15
Helene gelang die Veröffentlichung einer Vielzahl an Artikeln, literarisch-kritischer und auch biographischer Werke, vorrangig britischer Schriftsteller. Außerdem verfasste sie ein dreiteiliges Werk der „Geschichte der englischen Romantik“. Danach folgte eine intensive Beschäftigung mit Theaterkritik, hauptsächlich über das Burgtheater, weshalb sie schließlich zur „Burgtheaterbiographin“ ernannt wurde. Weitere Ehren, wie beispielsweise Ehrendoktorwürden der Universitäten Erlangen und Heidelberg und eine Ernennung zur „Bürgerin ehrenhalber der Stadt Wien“ wurden ihr zuteil.16
Helene und ihre Schwester Elise, die nicht minder erfolgreich war und 1907 als erste Frau in Österreich an der Universität Wien habilitierte, wurden aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, trotz Übertritt zum evangelischen Glauben, 1938 ihrer Ämter enthoben.17 Im Jahr 1942 folgte die Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt, in dem Helene Richter ein Monat später, am 8. November verstarb.18 Am 21. Juni 1943 starb auch ihre Schwester Elise in Theresienstadt.19
Karl Ludwig
Besonders viel Platz wird Erzherzog Karl Ludwig, dem zweiten Bruder Kaiser Franz Josephs, in diversen Biografien und historischen Werken nicht eingeräumt. Während Erzherzog Ferdinand Max sich als gescheiterter Kaiser von Mexiko in die Welt- wie in die Habsburgergeschichte ebenso eingeschrieben hat, und Erzherzog Ludwig Viktor nicht zuletzt aufgrund eines bis heute falsch gedeuteten Fotos in Frauenkleidern eine gewisse Berühmtheit erlangen sollte, ist von Karl Ludwig grundsätzlich nicht viel zu lesen. Der drittgeborene Sohn Erzherzogin Sophies und Erzherzog Franz Karls nimmt nicht selten die Position des „Ausstellungs-Erzherzogs" ein, des ewigen Vertreters seines kaiserlichen Bruders bei Routineanlässen, oder die des gemütlichen Familienmenschen. Die Rolle des Kunstmäzens gestand man ihm noch zu. Besondere Ambitionen sonstiger Natur entwickelte der als gutmütig wahrgenommene Habsburger nach allgemeinem Tenor jedoch nicht.
Am 30. Juli 1833 in Schloss Schönbrunn geboren, durchlief Karl Ludwig zunächst die klassische Ausbildung eines Erzherzogs, um bald von seinem kaiserlichen Bruder mit politischen Aufgaben unterschiedlicher Natur betreut zu werden. Als Stadthalter von Tirol und Vorarlberg entwickelte Karl Ludwig 1855 nicht nur eine rege Reisetätigkeit innerhalb der ihm zugeteilten Gebiete, er suchte auch aktiv den Kontakt zur lokalen Bevölkerung, galt als geduldiger Zuhörer und gewährte gezielt Hilfsleistungen. 20
Ein Schreiben an den Kaiser aus dem Jahr 1858 belegt zudem, dass der jüngere Bruder Franz Josephs durchaus an seiner politischen Funktion wuchs. Der Bitte nach Erweiterung seiner Kompetenzen wurde nach gründlicher Erwägung in Wien allerdings nicht nachgegeben. Die Funktion des Stadthalters blieb eine rein verwaltende – die Reorganisation bestehender bürokratischer und gesetzlicher Strukturen stellten die einzigen wesentlichen Aufgaben dar. Nach knapp sechs Jahren legte Karl Ludwig sein Amt nicht zuletzt aufgrund politischer Veränderungen 1861 nieder.
In Bezug auf kulturelle und künstlerische Aspekte allerdings zeigte der sonst so blass wirkende Erzherzog durchaus Interesse und Antrieb. Seine Affinität zu kulturellen Belangen spiegelte sich bereits in diesen frühen Jahren in Tirol. Karl Ludwig hatte beispielsweise großes Interesse an Schloss Ambras und ließ Veränderungen daran vornehmen, die persönliche Komfortbestrebungen überstiegen. Später sollte er zu einem der bedeutendsten Förderer der Kunstwelt Wiens werden.
Die wirkliche Bedeutung des vermeintlichen „Ausstellungs-Erzherzogs“ lag aus dynastischer Sicht allerdings in seinem Familiensinn und seinem Kinderreichtum. Während weder Kaiser Ferdinand Max, noch Erzherzog Ludwig Viktor Nachkommen hatten, konnte Karl Ludwig auf eine illustre Schar von sechs Kindern (drei Buben und drei Mädchen) blicken, die aus insgesamt drei Ehen hervorgegangen waren. Besonders Erzherzog Franz Ferdinand, der nach dem Selbstmord Kronprinz Rudolfs schon bald in den Rang des Thronfolgers gehoben wurde, genießt dabei bis heute eine gewisse Bekanntheit. Vergessen wird dabei allerdings oft, dass zuvor auch Karl Ludwig selbst die Stellung des Thronfolgers für kurze Zeit innehatte.
Welchen Stellenwert vor allem die Söhne Karl Ludwigs innerhalb der Familie genossen, geht aus einer eigenwilligen Episode rund um Ferdinand Max hervor, dessen Kinderlosigkeit sich aus dynastischer Sicht schon bald zu einem ernsten Problem entwickeln sollte. Nachdem der amtierende Kaiser von Mexiko keinerlei Vaterfreuden entgegensehen durfte, ließ er an seinen Bruder Karl Ludwig die Bitte richten, ob dieser nicht einen seiner Söhne als zukünftigen mexikanischen Kaiser „entbehren“ könnte. Karl Ludwig, sich seiner väterlichen Rolle wohl bewusst, lehnte entschieden ab. 21
Während einer Reise ins Heilige Land im Jahre 1896, die der tiefgläubige Erzherzog als christliche Pflicht wahrnahm, ließ er es sich nicht nehmen, trotz eindringlicher Warnungen einiger Mitreisender Wasser aus dem berühmten Fluss Jordan zu trinken. Erzherzog Karl Ludwig, der schon seit Jahren an einer schwächlichen Konstitution des Verdauungstraktes litt und auf besagter Orientreise eigens dafür bereitgestellte Kisten mit Selterswasser mitführte, infizierte sich jedenfalls beim Genuss des ungereinigten Wassers. Bereits auf der Rückreise nach Wien erkrankte er in Griechenland an einem schweren Darmleiden, das sich nur vorrübergehend besserte. Obwohl man sich nach der Ankunft in Österreich zunächst der trügerischen Hoffnung einer Gesundung hingegeben hatte, verstarb der wohl unbekannteste und vielleicht auch verkannte Bruder Kaiser Franz Josephs am 19. Mai 1896 mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Ruhr. 22
Theodor Billroth
Dass man versuchte in der Innenansicht des alten Burgtheaters tatsächlich die gesamte Wiener Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts abzubilden, beweist auch das Vorhandensein von Ärzten und Naturwissenschaftlern, die man Politikern, Erzherzögen und Künstlern gegenüberstellte. Als Kapazität auf seinem Gebiet, dessen Name noch heute in Operationssälen ebenso wie in Ärzteblättern aufscheint, ist in diesem Zusammenhang Dr. Theodor Billroth zu nennen. Als begnadeter Chirurg, der auch vor dem Gebiet der damals noch jungen Mikrobiologie nicht zurückschreckte, darf Billroth heute als wesentlicher Gestalter der Zweiten Wiener Medizinischen Schule gelten. Von besonderem Interesse mag dabei sein, dass Theodor Billroth, der heute im Wesentlichen für seine Operationstechniken (Billroth./II.) in Fachkreisen bekannt ist, auch die bakterizide Wirkung bestimmter Pilze erstmals beobachtete. 23
Obwohl die Bedeutung dieser Entdeckung im Jahre 1874 lange noch nicht erkannt werden sollte und der Begriff „Antibiotika“ noch auf sich warten ließ, zeigen Billroths Forschungen richtungsweisende Ansätze. 24
Adam Politzer
Heute weit weniger bekannt, aber ganz in die Nähe des berühmten Dr. Billroth auf unserem Bild gerückt, ist Dr. Adam Politzer seines Zeichens Begründer der Ohrenheilkunde in Wien. Nach dem Medizinstudium in Wien und mehreren Auslandsaufenthalten spezialisierte sich Politzer auf das Fachgebiet der Ohrenheilkunde, welchem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weder besondere Anerkennung noch besondere Reputation zugeschrieben wurden. 1861 wurde er der erste Privatdozent dieses Fachs an der Universität Wien. 1873 schließlich gelang es, die erste Ohrenklinik im Wiener Allgemeinen Krankenhaus zu eröffnen – die erste der Welt – wie man stolz in der Presse verkündete. 25
Trotz des offenkundigen Fortschritts in dieser vernachlässigten Disziplin blieben die Ohren – medizinhistorisch betrachtet – eine undankbare Angelegenheit und die Klink kaum mehr als zwei armselige, enge Räume in einem riesigen Spital.26
In Fachkreisen ist Adam Politzer dennoch in Erinnerung geblieben, denn schon 1863 gelang ihm die Entwicklung einer eigenen Behandlungsmethode für unterschiedliche Leiden des Mittelohrs. Auch wenn wir uns heute unter dem Begriff „Politzersche Luftdusche“ vielleicht nur wenig vorstellen können – durch das künstliche Einbringen von Luft ins Mittelohr wurde eine Heilung bestimmter Erkrankungen des Gehörorgans deutlich begünstigt. 27 Dr. Adam Politzer, ein Facharzt, der sein eigenes Fach buchstäblich selbst erfand, sollte weit über die Grenzen der Monarchie hinaus Anerkennung finden.