Caroline Franziska, spätere Gräfin Zanardi Landi behauptet in ihrem Werk „Geheimnisse einer Kaiserin“ das fünfte und jüngste Kind von Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph I. zu sein. Doch wie viel kann stimmen und wie beschreibt sie ihre selbsternannte kaiserliche Mutter?
Caroline kam, laut eigenen Angaben, im Jahr 1882 in Sassetot-le-Mauconduit auf die Welt. Maskiert durch einen Reitunfall der Kaiserin, der tatsächlich nachzuweisen ist, jedoch bereits sieben Jahre früher, am 11.9.1875. Dies wird nicht nur von mehreren Personen belegt, sondern wird Elisabeth danach nie wieder nach Sassetot-le-Mauconduit reisen und damit kann schon zu Beginn des Buches die Glaubwürdigkeit der Geschichte angezweifelt werden. Ein genaues Geburtsdatum wird nie genannt, mit dem Verweis, dass dieser Tag auch nicht gefeiert wurde. Zelebriert wurde vielmehr der Namenstag, an dem auch die kaiserliche Mutter niemals vergaß zu gratulieren.
Doch warum sollte Kaiserin Elisabeth ein geheimes Kind haben und warum sollte ihr Ehemann, der Kaiser von Österreich-Ungarn das überhaupt erlauben?
Caroline nennt Selbstbestimmung, wenn es um die Erziehung ihrer Kinder geht als den Hauptgrund Elisabeths für dieses Handeln. Die älteren Geschwister, Sophie, die bereits zweijährig verstarb, Gisela und auch Rudolf wurden der jungen Mutter weggenommen. Elisabeths Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie wird hier als die Schuldige genannt, die herzlos alle Entscheidungsgewalt über die kaiserlichen Kinder an sich riss. Selbst bei Marie Valerie, die 10 Jahre nach Kronprinz Rudolf auf die Welt kam, konnte die Kaiserin nicht über die Erziehung ihrer Tochter entscheiden. Als nun Caroline auf die Welt kam, wäre die Geheimhaltung als Rache für das Unrecht, welches Elisabeth zugefügt wurde, zu sehen. Franz Joseph, der laut Caroline keinen eigenen Willen hatte, wusste von der Schwangerschaft seiner Ehefrau und akzeptierte deren Wunsch auf Geheimhaltung.
So wurde für das fünfte Kind eine passende Familie gefunden. Auserkoren passenderweise eine Familie mit dem Namen Kaiser aus Berlin, die aus den adeligen Kreisen stammte, in Wien allerdings gänzlich unbekannt war. Sie residierten am Opernring 5, gegenüber von der Wiener Staatsoper und damit ganz in der Nähe der Hofburg, der Winterresidenz der vermeintlichen kaiserlichen Eltern. Die Treffen mit Elisabeth fanden zuerst im Geschäft einer Schneiderin, welche im Haus ein Geschäft betrieb, statt. Dort konnte Caroline unauffällig auf „Tante Elly“, wie Elisabeth von Familie Kaiser genannt wurde, treffen.
Mit sechs Jahren, also im Jahr 1888, lebte Caroline mit ihrer Mutter zum ersten Mal unter demselben Dach, nämlich im Privatdomizil der Kaiserin, der Villa Hermes in Lainz.
Im folgenden Jahr veränderte sich „die Umgebung und der Haushalt“ wie Caroline selbst schrieb. Sie erhält nun ein englisches Kindermädchen, Miss Ives und eine französische Gouvernante namens Mademoiselle Pidon.
Und doch dauerte es noch bis zum Jahr 1891, bis die neunjährige Caroline durch das Belauschen von Bediensteten ihres Haushaltes von ihrer wahren Herkunft erfuhr.
Sofort war sie sich der Möglichkeiten, die ihr diese Stellung einbrachte, bewusst und sie schrieb:
„Plötzlich wurde mir klar, warum ich mich so gefreut hatte, als ich erfuhr, dass ich die
Tochter einer Kaiserin war –– nicht aus purer Eitelkeit, sondern weil ich wusste,
dass meine hohe Stellung mir dabei helfen würde, Gutes in der Welt zu tun.“
Nachdem herauskam, dass Miss Ives Caroline gezüchtigt hatte, erhielt diese mit Frau von Friese eine neue Erzieherin, welche die Kaiserin angeblich bereits davor auf Reisen kennenlernte. Frau von Friese sollte bis zu ihrem Tod eine wichtige Bezugsperson für Caroline bleiben. Auch als Reisebegleitung fungierte sie, da Elisabeth es veranlasste, dass ihre geheime Tochter auch auf Reisen mitkam. Nicht im selben Haus residierend, war Caroline jedoch immer in der Nähe untergebracht, wo sie ihre Mutter heimlich und ohne Anwesenheit Anderer treffen konnte. Auch die Verheimlichung vor Marie Valerie hatte höchste Priorität für die Kaiserin.
Neben ihrer Kindheit und Schulzeit, die sie in diversen Institutionen verbringen sollte, um in Kontakt mit verschiedensten Gesellschaftsschichten zu treten, schrieb sie über ihre erste Liebe, die allerdings unglücklich endete.
Auch Schicksalsschläge der Familien Habsburg und Wittelsbach fanden Eingang in das Werk von Caroline Zanardi Landi. Beispielsweise Kronprinz Rudolf hätte, laut Elisabeth, niemals Selbstmord begangen. Eine Intrige unter der Führung von Franz Josephs jüngerem Bruder, Karl Ludwig, mit Beteiligung der Jesuiten hätten sowohl Rudolf als auch Mary Vetsera das Leben gekostet. Beide wären bei einer Schießerei tödlich getroffen worden, als Rudolf sich gegen eine Verhaftung durch die Geheimpolizei wehrte. Auch über den Tod von Ludwig II., dem bayrischen König, gab sie eine vermeintliche Version Elisabeths ab. Die Kaiserin hätte versucht ihren Vetter zu retten, der aufgrund seines politischen Ehrgeizes für verrückt erklärt worden war. Doch dieser Rettungsversuch ging schief. Ludwig, sowie sein Arzt Bernhard von Gudden ertranken im Starnberger See.
In dem Kapitel „Die letzten gemeinsamen Tage“ schrieb Caroline über Elisabeths Pläne der Anerkennung des jüngsten Kindes des Kaiserpaars. Franz Joseph sollte offiziell im Parlament ihre Existenz bekannt geben und damit auch ihre Ansprüche geltend machen. Dieser Plan war nicht im Sinne des sonst so willenlosen Kaisers und wurde schlussendlich durch eine Erkrankung Elisabeths vollends abgebrochen, was zu Spannungen zwischen dem Kaiserpaar führte. Elisabeth stellte ihrem Ehemann ein Ultimatum. Sollte die Tochter ihre Rechte nicht erhalten, werde die Kaiserin nie wieder nach Österreich zurückkehren.
Dennoch sollte es nie zu einer offiziellen Vorstellung Carolines kommen, da die Kaiserin am 10. September 1898 ermordet wurde. Caroline, die eigentlich in der zweiten Septemberhälfte zu ihrer Mutter in die Schweiz reisen sollte, erfuhr von dem Tod ihrer Mutter, als sie gerade mit der Familie Kaiser in Kärnten weilte.
Die Versuche ihren vermeintlichen Vater, Kaiser Franz Joseph I. zu kontaktieren blieben unbeantwortet und auch die Familie Kaiser versuchte sie zu überzeugen ihre Geschichte geheim zu halten, die ja doch keiner glauben würde.
Während dieser Zeit verlobte sie sich mit Richard Kühnelt und erfuhr kurz darauf von ihrem 4 Millionen Gulden-Erbe, mit welchem ihre Mutter sie bedacht hatte.
Viel sollte sie nicht von dem Erbe haben, denn laut ihren Aussagen verspekulierte ihr Ehemann die Mehrheit dieses Geldes. Es folgt die Trennung von ihrem Mann und ein Umzug nach Kanada, gemeinsam mit den Kindern Antonius-Franz, welcher 1902 geboren wurde, und der um zwei Jahre jüngeren Elisabeth-Marie-Christine.
Die Scheidung von ihrem Mann folgte im Jahr 1911. Dies allerdings in den USA, um ihr das Sorgerecht für die Kinder zu sichern. Ihren zweiten Ehemann Graf Zanardi Landi lernte sie kurz darauf kennen, und er sollte es auch sein, der ihr die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, um ihr Buch voranzutreiben.
Den Druck zu ermöglichen war kein leichtes Unterfangen, da selbst außerhalb Österreichs im Jahr 1918, laut Caroline, kurz vor Beginn des Drucks sämtliche Unterlagen beschlagnahmt wurden.
Im Gegensatz zu Caroline erlangte jedoch ihre Tochter, Elisabeth-Marie-Christine eine gewisse Berühmtheit jedoch nicht in Europa, sondern in Hollywood. Elissa Landi, wie ihr Künstlername lautete, konnte einige Erfolge in der Filmbranche erzielen, wobei die Erzählungen über die mögliche Herkunft ihrer Mutter durchaus als karrierefördernd einzustufen waren. Elissa erhielt sogar einen Stern am weltberühmten Walk of Fame, welcher auch heute noch an die angebliche Enkelin der Kaiserin Elisabeth erinnert.
Der Wahrheitsgehalt des Buches von Caroline Franziska Gräfin Zanardi Landi sollte zurecht angezweifelt werden, wo doch schon mit dem angegebenen Geburtsjahr in Verbindung mit dem Reitunfall ein grober Fehler begangen wurde. Die Verbindung zur Nichte Elisabeths, Marie Larisch, welche selbst Memoiren veröffentlichte, könnte als mögliche Informationsquelle verstanden werden. Sonstige Daten, wie Reisen der Kaiserin oder Ereignisse wie Geburten und Krankheiten der Familienmitglieder mögen den Anschein erwecken, dass sie im engsten Kreis Elisabeths war, doch liegt es näher, dass sie die Mehrheit ihres Wissens aus Zeitungsartikeln gezogen hat, welche ständig über die Kaiserfamilie berichteten.
Auch wenn die Geschichte Carolines wohl nicht sehr nah an der Realität liegt, zeigt es sehr gut, wie groß das Interesse an der Kaiserfamilie, sei es nun Elisabeth oder beispielsweise das Geheimnis rund um Mayerling, auch nach dem Ende der Monarchie immer noch war und bis heute anhält.1