Für den/die kulturhungrige/n Besucher/in kann die Wiener Hofburg rasch zu einer Herausforderung werden. Mit ihren unzähligen Trakten und Stiegen, welche ein großflächiges Areal einnehmen, ist es nicht immer einfach, die gewünschte Sehenswürdigkeit rasch zu finden. Eine Vielzahl an Kulturbetrieben hat sich im Laufe der Jahrhunderte in der Hofburg angesiedelt, nebst politischer Infrastruktur und privat geführten Institutionen. Und nicht alle Teile des weitläufigen Gebäudekomplexes sind darüber hinaus zugänglich.
Ein Highlight allerdings, welches noch heute zu touristischer Verzückung führt, sind die Herrschaftssitze des wohl bekanntesten österreichischen Kaiserpaares aus dem 19. Jahrhundert im Reichskanzleitrakt und der Amalienburg. Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth verbrachten lange Jahre ihres gemeinsamen Ehelebens getrennt, aufgeteilt auf zwei Trakte, die letztlich doch verbunden waren. Beide Flügel befinden sich im alten Teil der Wiener Hofburg, sind durch die prominente Michaeler Kuppel zu betreten und geben authentische Einblicke in das kaiserliche Leben gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Während Kaiser Franz Joseph den Reichkanzleitrakt bewohnte (er war übrigens der einzige Kaiser, der diesen Teil der Wiener Hofburg als Wohnsitz wählte), beanspruchte Sisi Teile der gegen den Ballhausplatz zu gelegenen Amalienburg für sich. Verbunden sind beide Trakte durch zwei Doppeltüren und eine bekannt gewordene Klingel auf Franz Josephs Seite, die der Kaiser zu betätigen hatte, wollte er sich bei seiner Frau anmelden lassen.
Betritt man die Kaiserappartements heute, so tut man dies immer noch über die Kaiserstiege, welche von Audienznehmern bereits vor mehr als hundert Jahren zu bewältigen war, um in die Bel Etage zu gelangen. Die prachtvolle Stiege aus Stuckmarmor wiederum mündet zunächst in die unscheinbare Trabentenstube, ein relativ kleiner, schmucklos gehaltener Raum, in welchem die sg. Trabanten Leibgarde permanent stationiert war – eine Sicherheitsschleuse auf dem Weg zum Kaiser von Österreich.
Hatte man eine Audienz bei Kaiser Franz Joseph, so führte der Weg weiter in den anschließenden Audienz Wartesaal. Noch heute beeindruckt dieser Raum durch seine Größe und Ausstattung. Vor allem die drei großen, den Raum dominierenden Wandgemälde aus der Zeit Kaiser Franz II./I. beeindrucken durch ihren Detailreichtum. Kaiser Franz Joseph sah das offenbar anders, ließ er die monumentalen Malereien aus der Zeit seines kaiserlichen Großvaters in den 1880ern mit rotem Damast Stoff doch einfach verhängen.
Der eigentliche Audienzsaal, in welchem man den Kaiser von Österreich für wenige Minuten sprechen konnte, ist in seinen Dimensionen deutlich zurückhaltender, bei dem kaiserlichen Stehpult, sowie der darauf ruhenden Audienznehmerliste (aus dem Jahr 1910) handelt es sich um die Originalobjekte.
Im Vergleich zu den anderen Räumen in den Appartements des Kaisers ist der nun anschließende Konferenzraum farblich und stilistisch stark kontrastierend. Der Raum ist grundsätzlich im französischen Empire Stil gehalten, und passt somit weder zeitlich noch von Seiten der Ausstattung in das Originalkonzept der franzisko-josephinischen Ära. Die vielfältigen Änderungen dürften erst nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie vorgenommen worden sein. Trotzdem bietet der Raum interessante Details. Rechts im Hintergrund ist der Ehrensäbel Feldmarschall Radetzkys zu sehen. Ein Portrait des noch sehr jugendlichen Kaiser Franz Josephs dominiert die rückwärtige Wand über einer Büste Erzherzogin Sophies, seiner Mutter. Ebenfalls erwähnenswert ist der Raum im Hintergrund. Die kaiserliche Garderobe mit den originalen Garderobenschränken aus Holz ist somit erhalten geblieben.
Eine Besonderheit stellt wohl das Arbeitszimmer des Kaisers von Österreich dar. Es ist in Einrichtung und Arrangement fast vollständig und wirkt authentisch. Neben dem originalen Schreibtisch mit diversen Papieren, Bildern, Zigarren und einem Feuerzeug darauf finden sich auch zwei überaus berühmte Portraits Kaiserin Elisabeths, welche ebenfalls zur Originalausstattung des Raumes gehören. Das Bild „Elisabeth mit verschlungenem Haar“ auf einer Staffelei ruhend, direkt vor dem Schreibtisch, und „Elisabeth mit offenem Haar“ rechts davon an der Wand hängend, dominieren den Raum. Im Arbeitszimmer ebenfalls zu sehen sind Fotografien der kaiserlichen Kinder wie beispielsweise Kronprinz Rudolfs oder Erzherzogin Marie Valeries. Betrachtet man nochmals den Schreibtisch Kaiser Franz Josephs, so findet man dort auch ein Kleinkindportrait der bereits mit zwei Jahren verstorbenen ersten Tochter, Erzherzogin Sophies.
In Funktion und Ausstattung setzt sich das Schlafzimmer Franz Josephs deutlich von den anderen Räumen ab, beschreibt es doch den einzigen privaten Raum des Kaisers von Österreich. Das Bett, links an der Wand stehend, mag symbolisch für den Wunsch des Kaisers von Österreich nach privater Schlichtheit dienen. Auch das Waschensemble, gleich neben dem Bett aufgestellt, erzählt von der privaten Anspruchslosigkeit dieses Mannes. Der Raum erhebt grundsätzlich keinerlei imperiale Ansprüche und könnte in seiner Optik auch so manchen Haushalt des gehobenen Bürgertums beschreiben. Fließwasser sucht man hier vergeblich, im hinteren Teil des Zimmers, im Türbereich auf der linken Seite, lassen sich jedoch noch die Reste eines Aborts erkennen. In diesem Zimmer fand die Morgentoilette statt, das bekannt gewordene Bad in einer tragbaren Wanne zu sehr früher Stunde, das Ankleiden, die tägliche Audienz des kaiserlichen Leibarztes und ähnliche, dem privaten Leben geschuldete Routinen. Auch der Betstuhl Franz Josephs hat sich erhalten und ist zu sehen.
Durch den großen Salon begibt man sich in den anschließenden kleinen Salon des Kaisers, welcher gleichzeitig das Ende seiner Appartements beschreibt. Neben der eingangs erwähnten, links hinter dem Vorhang versteckten Klingel, findet man auf der rechten Seite noch ein Portrait von Kaiser Franz Josephs jüngerem Bruder, Erzherzog Ferdinand Max und – gegenüber hängend – ein Bild von dessen Gattin, Erzherzogin Charlottes von Belgien. Beider Schicksal sollte mit dem unglücklichen Versuch, ein habsburgisches Kaiserreich im fernen Mexiko zu etablieren, untrennbar verbunden sein.
An die Räumlichkeiten Kaiser Franz Josephs schließen unmittelbar die Appartements Kaiserin Elisabeths an.